Der Energiemarkt hat sich entspannt, weit mehr sogar als sich Beschaffungsexperten wie Marco Beiser von der Rheinhessischen vor einem Jahr vorstellen konnten. Damit nimmt auch der Wettbewerbsdruck wieder deutlich zu. Im Interview erklärt Marco Beiser, was die Entwicklung für Grundversorger bedeutet und warum Kund:innen der Rheinhessischen von einer sicheren, stabilen und nachhaltigen Partnerschaft profitieren.
Herr Beiser, vor rund einem Jahr haben wir uns den Energiemarkt zuletzt genauer angeschaut – also kurz nach der Hochphase der Energiekrise. Seitdem hat sich die Lage weiter entspannt. Haben Sie das erwartet?
Vor einem Jahr waren wir vorsichtig optimistisch. Im Vergleich zu 2022 mit durchschnittlichen Börsenpreisen beim Strom von 300 Euro je Megawattstunde und Spitzentagen mit 1000 Euro je Megawattstunde hatte sich der Markt ja schon deutlich beruhigt. Auch beim Gas. Dass die Börsenpreise dann aber nochmals kräftig in die Knie gehen und sich zum Beispiel beim Strom auf ein Niveau von 100 Euro je Megawattstunde einpendeln – aktuell liegen wir sogar darunter –, damit hat in der Kurzfristigkeit kaum jemand gerechnet.
Ist die Energiekrise also überwunden?
Inzwischen sprechen wir von einer Energiepreiskrise und nicht mehr von einer Energiekrise. Denn trotz aller durchaus berechtigter Sorgen um eine Mangellage stand Energie physikalisch stets ausreichend zur Verfügung. Wie so oft am Markt verursachten also psychologische Gründe die Preisexplosionen an der Börse. Ich möchte keine völlige Entwarnung geben, aber die aktuelle Entwicklung ist ein echter Lichtblick. Hierzu haben natürlich auch die zuletzt milden Winter beigetragen. Interessant wird sein, wie der Markt auf länger anhaltende Frostperioden reagiert.
Rechnen Sie damit, dass der positive Trend weiter anhält?
Ich muss täglich die Lage auf dem Energiemarkt einschätzen und bewerten – und das ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich schwieriger geworden ist. Denn der Markt zeigt sich weiter hoch volatil und hängt stark von politischen und geopolitischen Entwicklungen ab. Ein Streik im australischen LNG-Sektor etwa lässt die Börsenpreise unmittelbar steigen. Andererseits blicke ich – was die Energieverfügbarkeit angeht – optimistisch in die Zukunft. Selbst nach dem Stopp russischer Gaslieferungen gelang es Deutschland und Europa, schnell für ausreichend Ersatz zu sorgen und die Speicher zu füllen. Diese Erfahrungen wirken positiv auf den Beschaffungsmarkt. Zuletzt haben sogar die heftigen Konflikte im Nahen Osten zu keinen neuen Preissprüngen geführt. Zur Überraschung aller. Abzuwarten bleiben jedoch die Auswirkungen der Transformation von konventioneller zu regenerativer Energieerzeugung.
Dürfen sich Haushalte in puncto Energiepreise entspannen?
Wenn wir vom reinen Börsenprodukt sprechen, kann ich mir vorstellen, dass der Preis erst einmal auf dem aktuellen Niveau verharrt. Anders sieht es aus, wenn wir auf die Endpreise schauen. Selbstverständlich führten die geringeren Beschaffungskosten auch bei uns zum Jahreswechsel zu günstigeren Strom- und Gaspreisen in allen Tarifen. Gleichzeitig klettern aber die staatlich induzierten Preisbestandteile in die Höhe. Im Gasbereich steigen die CO2-Abgabe sowie die Mehrwertsteuer, im Strombereich durch die Sparmaßnahmen aufgrund des Haushaltslochs des Bundes die Netzentgelte und die Umlage nach § 19 StromNEV.
Wie wirkt sich das auf Ihre Tarife aus?
Unterschiedlich. Als wir im November 2023 die Preise zum 1.Januar 2024 kalkuliert haben, waren einige Entwicklungen nicht absehbar. Die ab 1. April 2024 wieder höhere Mehrwertsteuer beim Gas haben wir bereits in den Abschlägen berücksichtigt, andere Variablen, wie etwa die kurzfristig im Dezember erneute Anhebung der Umlage nach § 19 StromNEV oder die höheren Netzentgelte, müssen wir nachträglich in den Preisen berücksichtigen und werden unsere Kunden hierüber informieren. Schlussendlich versuchen wir immer zu erreichen, dass die Abschlagshöhe so genau wie möglich zu den Verbräuchen und Kosten passt, sodass die Jahresrechnung im besten Fall „null auf null‘‘ aufgeht.
Werden also in Zukunft die Staatsanteile bei den Energiekosten wieder zum Preistreiber?
Wir befinden uns mittendrin in der Transformation der Energieversorgung weg von fossilen Energieträgern hin zur klimaneutralen Erzeugung. Das gilt übrigens für sämtliche Sektoren. All das kostet unglaublich viel Geld. Denn für eine erfolgreiche Strom-, Wärme- und Verkehrswende stehen weiterhin gewaltige Investitionen in Technik, Netze und Erzeugungsanlagen an, die sich unweigerlich auch in den Energiepreisen widerspiegeln werden. Gerade erst hat sich herausgestellt, dass auf dem EEG-Konto, mit dem die Vergütungen für Anlagenbetreiber bezahlt werden, eine riesige Lücke klafft. Es kann also gut sein, dass selbst die EEG-Umlage, die die Kosten auf alle Verbraucherinnen und Verbraucher verteilte und in der Energiepreiskrise abgeschafft wurde, wiederkommt. Die Rheinhessische sieht deshalb im bewussten Umgang mit Energie – angefangen beim eigenen Verbrauchsverhalten bis hin zu effizienter Technik etwa im Heizungskeller – den ersten und wichtigsten Schritt, die Energiekosten dauerhaft zu begrenzen. Auf diesem Weg unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden mit qualifizierter Beratung wie in der Mittwochssprechstunde und durch zahlreiche Hilfestellungen hier in diesem Blog.
Haben die Menschen denn den Aspekt Energiesparen nicht ohnehin schon verinnerlicht?
Während der Energiekrise haben die zahlreichen Appelle und Kampagnen auch von offizieller Seite, wie der Bundesnetzagentur und der Bundesregierung, belegbar Früchte getragen. Auch unsere Kundinnen und Kunden verringerten ihren Strom- und Gasverbrauch teilweise deutlich und kompensierten damit die hohen Preise aus der Zeit ein Stück weit. Zusammen mit gut kalkulierten Abschlägen konnten sich die meisten deshalb mit der Jahresabrechnung über ein Guthaben freuen. Aktuell herrscht allerdings wieder mehr Sorglosigkeit, die Dramatik bei den Energiepreisen hat sich ja entschärft. Weiterhin bleiben die Märkte jedoch volatil und die Vorhersagen schwierig. Der bewusste Umgang mit Energie ist daher nach wie vor das Gebot der Stunde.
Sie sprechen von Lichtblicken auf dem Energiemarkt, betonen aber gleichzeitig eine stark volatile Entwicklung bei den Preisen. Was bedeutet das für die Kundinnen und Kunden der Rheinhessischen?
Als Grundversorger erfüllen wir einen gesetzlichen Versorgungsauftrag in der Region. Das heißt, wir liefern den hier lebenden Menschen Strom und Gas zu marktgerechten Preisen – und zwar auch dann, wenn sie keinen Vertrag mit uns haben, weil zum Beispiel Lieferanten wie vor zwei Jahren ausfallen. Damit das klappt, beschaffen wir Energie möglichst risikoarm in Teilmengen bis zu drei Jahre im Voraus. Aktuell also für 2025 und die zwei Folgejahre. Dabei konzentrieren wir uns vorrangig auf den langfristigen sogenannten Terminmarkt – lassen aber natürlich die Chancen im kurzfristigen Handel nicht liegen. Unsere Kundinnen und Kunden profitieren also davon, dass sich unsere Strom- und Gastarife immer aus einem Durchschnittspreis zusammensetzen – Preisspitzen an den Börsen glätten sich dadurch und kommen in ihrer Wirkung nur abgeschwächt bei den Haushalten an. Das geschah lange Zeit während der Energiepreiskrise. Während bei anderen Anbietern die Strom- und Gaspreise schon kräftig in die Höhe schnellten, blieben die Kosten für die Haushalte in der Region vergleichsweise günstig.
Aber einige Anbieter locken jetzt wieder mit sehr niedrigen Preisen …
Das ist richtig. Vor allem Discounter kaufen Kontingente kurzfristig zu den aktuell günstigen Konditionen und werben verstärkt um neue Kundinnen und Kunden. Selbst manch regionaler Versorger springt auf den Zug auf und geht mit Tarifen unter Marktniveau auf Kundenfang. Diese Herausforderungen sind, wie in anderen Branchen auch, Teil des Wettbewerbs und uns durchaus bewusst. Die Auswirkungen haben sich allerdings durch den volatilen Markt deutlich verstärkt – für uns, aber auch für diejenigen, deren Anbieter in Hochpreisphasen Verträge nicht verlängert hat oder sogar in die Insolvenz gegangen ist. Die Rheinhessische muss als Grundversorger langfristiger und nachhaltiger planen und darf keine Strategie der kurzfristigen Gewinne mit hohem Risiko für die Kundinnen und Kunden verfolgen. Wir stehen für eine sichere, faire und serviceorientierte Energieversorgung mit einem ökologischen Versprechen. Und das lässt sich mit Discounterpreisen einfach nicht darstellen.
Wissen Ihre Kundinnen und Kunden die Vorteile der Rheinhessischen zu schätzen?
Trotz des wachsenden Wettbewerbsdruck bleiben die meisten unserer Kundinnen und Kunden bei uns – weil sie zufrieden mit unseren Leistungen und Preisen sind. Das gilt selbst für viele, die erst vor zwei Jahren durch aufgekündigte Lieferverträge oder insolvente Anbieter zu uns in die Grundversorgung fielen. Natürlich verlieren wir auch den einen oder anderen. Das ist bedauerlich. Gleichzeitig gewinnen wir aber immer wieder neue Kundinnen und Kunden dazu – in der Region, aber auch bundesweit. Das bestärkt unsere Einschätzung, dass wir bei Preisen und weiteren Leistungen wettbewerbsfähig, glaubwürdig und verlässlich sind.
Welche Risiken bergen Angebote mit extrem niedrigen Preisen?
Ich persönlich wäre sofort stutzig, wenn ein Angebot ins Haus flatterte, das deutlich unter den Tarifen eines regionalen Versorgers wie der Rheinhessischen liegt. Denn nur Unternehmen, die ausschließlich sehr kurzfristig am Markt agieren, können zeitweise extrem günstige Preise für bestimmte Laufzeiten anbieten. Weil dieser Markt jedoch hoch volatil sein kann, steigt das Risiko, dass in Hochpreisphasen wie 2021 und 2022 Anbieter solcher Tarife ihren Lieferverpflichtungen zu den vereinbarten Preisen nicht mehr nachkommen können. Dann werden Verträge aufgekündigt oder die Preise steigen für die Abnehmer dramatisch an – hier kam es in der Vergangenheit mitunter zu einer Vervielfachung der Preise. Einige Versorger meldeten sogar Insolvenz an. Solche Risiken können, dürfen und wollen wir als Grundversorger gar nicht eingehen.
Sie sprachen auch von Auswirkungen des wieder erstarkten Wettbewerbs auf die Rheinhessische. Was hat es damit auf sich?
Der Wettbewerb und jeder Anbieter auf dem Markt haben selbstverständlich ihre Daseinsberechtigung. Aber die Energiepreiskrise hat uns Grundversorger an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Denn anders als reine Energielieferanten übernahmen wir die Verantwortung und damit die Versorgung für Zigtausende Haushalte, die plötzlich ohne Vertrag dastanden. Weil das ungeplant in sehr kurzer Zeit geschah, mussten wir Energie zum Teil sehr teuer für diese Menschen nachbeschaffen. Die zusätzlichen Kosten haben wir über unser Gesamtportfolio quersubventioniert, damit Energie für den Einzelnen bezahlbar blieb.
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